Englische Fräulein K13 2007
  Tobis Blog
 

 

15. März 2007

Wir glauben, einen Menschen zu kennen, und kennen doch nichts von ihm. Wir glauben, uns getäuscht zu haben, fassen uns an den Kopf und versuchen es erneut, ganz unauffällig, wie irgendeine bedeutungslose Nebensächlichkeit des Alltags, gehen wenige Schritte, stolpern, fallen hin und stehen wieder auf. Wir schließen mit einem Menschen ab und gestehen uns eine Niederlage ein, oder, je nachdem wer wir sind, zumindest keinen Sieg. Wir vergessen den Menschen und es scheint, als hätte auch er uns vergessen. Wir glauben, sind der festen Überzeugung, die Wahrheit in der Erinnerung zu finden, erinnern uns, und finden nur Lüge. Wir glauben, durch den Menschen, den einen Menschen, einen gewissen, zunächst nicht weiter definierbaren Gewinn erzielt zu haben, forschen nach, und finden die Erinnerung. Während wir den Zenit überschreiten, schlafen wir, tanzen wir, essen wir, arbeiten wir, wachen wir auf. Wir fühlen uns in der Lage, den gedruckten Kontext zu beherrschen, und schreiben das Abitur, wie wir als Kinder Bilderrätsel lösten. Tatsache ist, dass wir glauben, einen Menschen (einen beliebigen oder abstrakten oder konkreten oder nahestehenden oder attraktiven oder behinderten oder großen oder kleinen…) zu kennen, und doch nichts von ihm kennen.

12. Februar 2007

Wenn uns oder mir die Offenbarung des Johannes aus einer spontanen Tagesassoziation heraus eines lehrt, dann zunächst die Tatsache, dass ich unmöglich und unter gar keinen Umständen in den Kreis der 144000 Auserwählten gelangen werde, während ich an meiner Zigarette ziehe und dann den Obstler auf hastdunichtgesehen kippe. Zurecht, wie ich meine. Im weiteren Assoziationsverlauf aber, womit jetzt die halbwegs gotteslästerliche Ebene verlassen und die evangelikale nicht mal gesucht wird, bleibt meinerseits dieser bittere Nachgeschmack einer Botschaft, die man frei mit den Worten, dass auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt

übersetzt, zurück. Biblisch.

Heute in achtundachtzig Tagen beginnen die Abiturprüfungen, wie man mir heute mitgeteilt hat. Eine Feststellung, von der man ohne weiteres schreiben könnte, dass sie in unser aller Herzen sowohl Beklemmung als auch große Freude auslöst, uns Angst bereitet und doch mit gespannter Neugier erfüllt, auf das, was vor uns liegt, wenn wir uns melancholisch, einen Filzhut auf dem Kopf tragend (und niemand wird sich je daran erinnern können, wo auf einmal dieser verdammte Filzhut herkam) und mit vom Vortag versoffenen Augen für immer von der Schule verabschieden um in das richtige Leben einzutreten, anfangen, zu leben usw.

 Achtundachtzig Tage, Husseins Prozess nahm mehr Zeit in Anspruch.

In der Tat verhält es sich so, dass diese ganze Sache mit Alpha und Omega mental nicht so leicht totzukriegen ist, wird auch kein Gedanke an den weitaus drastischeren Begriff Apokalypse verschwendet. In naher Zukunft steht den meisten von uns dieser kleine Showdown bevor, der Showdown des Reflektierens, Rückblick auf so viele Jahre, so viele Erinnerungen, die erste Zigarette, das erste Mal Platinum, 2001, ich war damals fuenfzehn, die Augen haben gebrannt, weil man die Luft hätte schneiden können, der ganze Stress, v.a. zum Schluss hin, das erste Mal mit dem Auto in die Schule, mein Gott, was für eine schöne Erinnerung, der Verweis in der sechsten und die eine, die in der achten plötzlich hinter mir gesessen war und nach drei Monaten genauso plötzlich wieder verschwand, die ganzen Partys, die ganzen Lehreranekdoten, an die sich kein Schwein mehr erinnern kann, weil sie erst ab der elften mitgeschrieben wurden und sie ein damaliger Kopf heute nur noch fragmentarisch wiedergeben kann, die ganzen Sechsen, die Vieren oder Zweien hätten sein müssen, Wandertage nach Neuötting in die Eisdiele („Ich würd gern noch mit meinen Freuden in da Stadt bleiben…“), die ganzen Tragödien, die heute nur noch geflüstert werden, die ganzen verdammten  Möglichkeiten, die vor einem lagen, die ganzen verpassten Chancen, die man niemals, unter gar keinen Umständen wieder gut machen kann, in der Erinnerung so undeutlich und nur noch angedeutet, dass man sich einbildet, doch etwas daraus gelernt zu haben; die ersten Diskussionsversuche, in denen man noch den Unterschied zwischen objektiv und subjektiv herausarbeiten musste, bis hin zu den Im-Himmel-herrscht-Kommunismus-Vorträgen in der Kollegstufe. Vielleicht kommt irgendein genial eingeschätzter Kopf im Laufe des Abiturs auf die vollkommen blöde Idee, dass wir alle wie wir dasitzen für diesen einen Moment Kommunisten sind.

Sind wir aber nicht, dann hätten wir die Prüfungen auch zu Beginn von 12/1 schreiben können.

 
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